Wenn es etwas Besonderes sein darf hat München viel zu bieten: Zu den exklusiven Adressen gehört unter anderem das Acquarello in Bogenhausen. Seinen Michelin-Stern hält der »Italiener« bereits seit über zwei Jahrzehnten. Mehr müssen wir zur Qualität der Küche eigentlich gar nicht sagen. Unserem Christoph hat es jedenfalls vorzüglich geschmeckt.

von Christoph Busch

Ich bin ein äußerst italophiler Mensch – seitdem ich das erste Mal in Italien war, habe ich mich in das Land verliebt. Ich mag die Lebensart, die Mode, die Weine, das Klima, die Kultur, die Städte und – natürlich – die Küche des Landes. Meiner halbitalienischen Freundin geht es naturgemäß ganz ähnlich und so reservierten wir nach der Öffnung der Außengastronomie den langersehnten Tisch im berühmten Acquarello. Das Restaurant ist eine Institution in München und hält seinen Michelin-Stern mittlerweile im 21. (!) Jahr.

Herzlich willkommen im Acquarello

Die Begrüßung durch Massimiliano Gamba, den Gastgeber und Sohn des Besitzers und Küchenchefs Mario Gamba, war sehr herzlich – wir wurden sehr aufmerksam direkt mit Namen angesprochen. Die Gambas haben ihre Außenterrasse (mehr war ja bis vor kurzer Zeit nicht erlaubt) gut vorbereitet, sodass auch in diesem eher kalten und verregneten Mai durch Schutzwände und Wärmestrahler eine sehr angenehme Atmosphäre gewährleistet werden konnte. Durch einen während des Abends einsetzenden Platzregen wurden die getroffenen Vorkehrungen auch direkt einem Härtetest unterzogen, der souverän bestanden wurde. Nachdem wir am Tisch angekommen waren, wurde uns auch gleich die Speisekarte gebracht, die dem klassisch-italienischen Aufbau (Antipasti – Pasta – Pesce/Carne – Dolci) folgte. So entschieden wir uns für je vier Gänge samt Weinbegleitung.

Mit freundlichen Grüßen

Nach wenigen Minuten wurden wir dann offiziell aus der Küche gegrüßt – mit einem scharf-süßlichen, gebackenen Reisbällchen mit Salsiccia-Füllung. Schmackhaft und gut gemacht.

Relativ zügig folgte dann das zweite Amuse, ein Cappuccino von der Kartoffel, wie man ihn besser nicht umsetzen kann. Kartoffelig im besten Sinne, geschmacklich nicht rustikal, sondern sehr fein, cremig und vor allem heiß.

Auch der Chef des Hauses, Mario Gamba, hat uns kurz am Tisch besucht. So wird man gerne begrüßt.

Italienische Küche auf unglaublichem Niveau

Ich fand den Ansatz italienischer Sterneküche von Anfang an spannend, leben italienische Gerichte doch von exzellenten Produktqualitäten (im Fine-Dining-Bereich natürlich ebenfalls zentral), stimmigen Kompositionen (auch das passt, bei aller Ausgefallenheit mancher Ansätze im Sternebereich) aber auch einer gewissen Einfachheit, die im gehobenen Gastrosegment natürlich nicht unbedingt an der Tagesordnung ist. Insofern war ich gespannt auf die bevorstehende Gratwanderung – die Gerichte dürfen einerseits nicht verkopft daherkommen, andererseits natürlich auch nicht zu simpel ausfallen. Und diese Gratwanderung sollte perfekt gelingen, das sei bereits verraten.

Gebeizter Lachs mit grünem Spargel und Estragon-Mayonnaise

Ich startete mit gebeiztem Lachs, grünem Spargel und Estragon-Mayonnaise, bei meiner nicht-fischessenden Freundin gab es eine exzellent abgeschmeckte, schaumige Brunnenkresse-Suppe, zusammen mit einem gut abgestimmten Sauvignon Blanc vom Weingut Tunella aus dem Friaul. Zu meinem Fischgang ist zu sagen, dass er hervorragend war und als Musterbeispiel für die oben beschriebene kulinarische Gratwanderung taugt – die Komposition ist schon beim Lesen herrlich stimmig und so war sie es auch im Mund. Der Lachs war mit Kräutern sehr fein gebeizt, wachsig in der Textur, stimmig ergänzt um die herzhafte und trotzdem elegant gemachte, knallgrüne Mayonnaise. Der Spargel als Gemüse passte zum insgesamt kräutrig-frisch gehaltenen Geschmacksbild. Ein herrlicher Frühsommergang, stimmig begleitet durch einen sehr guten 2019er Riesling von Robert Weil.

Sepia Spaghettini, Vongole, Jakobsmuschel, Tomate, Safransauce

Weiter ging es mit Pasta – für mich wieder in der fischigen Variante: Sepia Spaghettini, Vongole, Jakobsmuschel, Tomate, Safransauce – einer der besten Pasta-Gänge meines Lebens. Die selbstgemachte Pasta war selbstredend perfekt umgesetzt, die Vongole und die Jakobschmuscheln von hervorragender Qualität. Hinsichtlich der Aromen war das Gericht sehr fein gemacht, die Muscheln wurden von der Säure aus dem Tomatenschaum geschmacklich gut gestützt und herausgearbeitet, eine elegante Herzhaftigkeit kam aus den Kräutern auf der Pasta, natürlich den Tomaten und zudem dem Safran. Wundervoll, einfach herrlich. Auch der Gang meiner Freundin (Marubini, Ricotta, Amalfi-Zitrone, lauwarme Tomatensoße) bot ein großartiges Geschmacksbild. Die mit Ricotta gefüllten, hauchdünnen Marubini zergingen im Mund und gaben eine reichhaltige Cremigkeit preis, die mit dem intensiven Geschmack der sehr feinen Tomatensoße und der fruchtigen Säure aus den Amalfi-Zitronen ein beeindruckendes Spiel einging. Zu beiden Gerichten passte der Biancosesto (eine Cuvée), wiederum von Tunella, wirklich gut.

Fassona-Rinderschmorbraten mit Selleriepüree, Frühlingsgemüse und Barolosauce

Im Hauptgang entschieden wir uns beide für den Fassona-Rinder-Schmorbraten mit Selleriepüree, Frühlingsgemüse und Barolosauce. Ich habe in meinem Leben selten ein Schmorgericht auf diesem Niveau probieren können (überhaupt kann ich mich nur an einen vergleichbar guten Schmorgang im Tantris erinnern) – der Gang war richtig klasse, eine »klassische« Kombination perfekt umgesetzt. Das intensiv schmeckende und sehr hochwertige Fleisch zerfiel buchstäblich, die Barolosauce war ein Kunstwerk für sich und muss viel Zeit in Anspruch genommen haben, das Gemüse und auch das Püree ergänzten das exzellente Fleischgericht stimmig. Großartig auch in Kombination mit dem kräftigen (und ungewöhnlich schweren, zumindest wenn man an Gamay aus dem Beaujolais denkt), sehr hochwertigen Gamay Unico von Enrico Fossi (2015).

Nachtisch: Tarte mit Rosmarineis

Spontan schoben wir noch eine handwerklich perfekt gemachte, schaumige und sehr fruchtige Erdbeer-Zabaione ein, bevor dann unser beider Dessert den krönenden Abschluss eines denkwürdigen Essens bilden sollte: eine Schokoladentarte mit Rosmarin-Eis. Die Tarte war zwar naturgemäß recht schwer, doch keinesfalls unelegant, vielmehr sehr fein abgestimmt – nicht zu süß und dezent herb durch die hochwertige Schokolade. Das Rosmarin-Eis, bei dem die größte Herausforderung sicherlich in der Dosierung des Krauts liegt, passte wunderbar dazu und gab den geschmacklich intensiven und gleichzeitig süßlichen Gegenspieler zur Schoko-Komponente. Bravo!

Il conto, per favore!

Das Abendmenü wechselt regelmäßig. Für vier Gänge zahlt man 126 Euro (Weinbegleitung +75 Euro). Für das Gebotene, ein absolut angemessen Preis.

Wir konnten ein extrem positives Fazit ziehen: Die Kompositionen waren stimmig, wie erwartet, die Produktqualitäten, das sei hier nochmals hervorgehoben, sind exzellent und die oben beschriebene Gratwanderung gelang perfekt. Die Gerichte waren alle so konzipiert, dass man schon beim Lesen erkannte, dass das dahinterstehende Geschmacksbild sehr stimmig ist, trotzdem war jeder Gang nicht nur perfekt ausgeführt, sondern kulinarisch auch sehr raffiniert und mit Liebe zum Detail umgesetzt. Ich war so begeistert, dass ich ein paar Tage später direkt für ein Mittagessen zurückgekommen bin. Sicherlich nicht zum letzten Mal.

Mittags- und To-Go-Angebot

Zweimal hatte ich während des Lockdowns auch die Gelegenheit, das To-Go-Angebot des Acquarello zu probieren. Von diversen Pastagängen oder Thunfischtatar, über Schmorgerichte bis hin zu Desserts war alles dabei und von gleichbleibend überragender Qualität.

Mittags serviert das Acquarello neben der normalen Karte zudem ein hervorragendes Mittagsmenü (für 55 Euro) bestehend aus drei Gängen – Vorspeise, Pasta, Hauptgang. Das Niveau steht dem am Abend in nichts nach, man isst sensationell gut.

Acquarello
Mühlbaurstraße 36
81677 München
Telefon & Reservierung: T +49 89 4704848
E-Mail: info@acquarello.com

Öffnungszeiten
Di bis Fr: 12-14:30 Uhr & 18:30-23 Uhr
Sa, So & Feiertag: 18.30-23 Uhr
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