Münchens Sterneküche ist unweigerlich mit dem Tantris verbunden. Das Schwabinger Restaurant zählt zu den besten Restaurants Deutschlands und wird seit 1974 mit mindestens zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Küchenchef Hans Haas wird sich Ende des Jahres in den verdienten Ruhestand zurückziehen. Christoph hat es sich nicht nehmen lassen, nochmal bei der Kochlegende zu speisen.
von Christoph Busch
Das legendäre Tantris – eine Institution in München, die kurz vor einem bedeutenden Umbruch steht. Hans Haas, der langjährige Küchenchef verlässt das Restaurant zum Ende des Jahres und verabschiedet sich in den wohlverdienten Ruhestand – Grund genug, das Tantris noch 2020 zu besuchen. Mit meiner Freundin und einem befreundeten Paar ging es erstmals nach Schwabing in Münchens wohl berühmtestes Sternerestaurant (**). Die Vorfreude war natürlich riesig.
Sterneessen in Zeiten von Corona
Nachdem man das Restaurant betreten hat, wird man zum Tisch gebracht und freundlich begrüßt. Aufgrund der Corona-Pandemie gelten auch im Tantris klare Verhaltensregeln; so ist zum Beispiel das Tragen von Masken Pflicht, wenn man sich vom Tisch wegbewegt. Das Team setzt die Vorgaben richtigerweise auch sehr konsequent um, sodass man sich trotz der aktuellen Situation fallen lassen und den Abend in vollen Zügen genießen kann – so muss es sein.
Der Service ist (den ganzen Abend über) sehr professionell und zuvorkommend, auch angemessen herzlich. Direkt zum Aperitif gibt es hervorragenden Champagner, verbunden mit der Speisekarte und der Weinkarte. Grundsätzlich gibt es zwei Menüs zur Auswahl, das Degustationsmenü (5 Gänge) und das Gourmetmenü (7 Gänge); zu beiden Menüs gibt es Weinbegleitungen, zum Degustationsmenü sogar deren zwei, eine »normale« und eine Premiumvariante.
Wir entschieden uns für eine Einzelflasche Wein aus der 90-seitigen Karte, konkret einen 2015er Trout Gulch Vineyard Chardonnay vom Weingut Arnot-Roberts aus Kalifornien. Das Weingut gilt als Vorreiter der New California-Bewegung, die darauf abzielt, die klassischerweise recht alkohol- und holzlastigen kalifornischen Weine moderner und frischer zu interpretieren. Der Trout Gulch ist innerhalb dieser Stilistik (verglichen etwa mit dem fruchtigeren Watson Ranch Vineyard Chardonnay desselben Weinguts) trotzdem recht »erwachsen«, hat neben einer ausgeprägten Zitrus- und Apfelnote leicht nussige und salzige Anklänge und eine angenehme Säure – ein wundervoller Begleiter durchs Menü.
Klassische Amuse-Gueule-Kompositionen mit Umami-Schwerpunkt
Das noch warme Brot mit bretonischer Butter, das regelmäßig eingestellt wird, schmeckt köstlich und deutet schon auf den sehr klassischen, französisch geprägten Stil des Hauses hin. Es folgte ein erster Gruß aus der Küche, konkret ein klassisch gemachtes, sehr köstliches und fein geschnittenes Rindertatar. Wunderbar puristisch, handwerklich sehr gut umgesetzt. Spannend und war dann die Artischocken-Creme mit Tomatensorbet, das zweite Amuse. Besonders das Sorbet beeindruckte nachhaltig, brachte es neben dem Spiel mit Temperaturen doch auch eine sehr kräftige Umami-Geschmackskomponente in die Komposition ein. Toll!
Geradliniger, französischer Stil in absoluter Perfektion
Dann ging es los – das eigentliche Menü. Man muss sich als Tisch geschlossen auf ein Menü einigen, in unserem Fall gab es das Gourmetmenü. Im Rahmen des ersten Ganges hatte man die Wahl zwischen pochierter Entenleberterrine, rosa Entenbrust, Heidelbeeren, Sellerie und Trüffelmarinade sowie Thunfisch (mariniert und als Tartar), roter Beete, Meerrettich und Sesammarinade. Meine Freundin entschied sich für die Enten-Variante, ich für den Thunfisch, probiert habe ich natürlich beides. Die Terrine war wunderbar cremig, klassisch französisch und sehr hochwertig hergestellt, mir persönlich war aber mein leichter Thunfischgang etwas lieber. Gekonnt wurde die leicht erdige aber sehr junge und daher nicht zu extrem schmeckende Beete integriert, insbesondere mit dem Meerrettich entstand eine wundervolle geschmackliche Harmonie. Die erdig-nussige Komponente wurde wiederum im Sesam wieder aufgegriffen, der an asiatische Gerichte erinnerte und natürlich toll zum extrem hochwertigen Fisch passte. Hervorragend!
Tantris: Kochkunst par excellence
Der zweite Gang bestand aus lauwarmem Saibling, Safran-Fenchelpüree und einem Limonen-Buttermilchfond und war für Fischliebhaber (wie mich) der Himmel auf Erden. Der Saibling war selbstredend perfekt glasig gegart, geschmacklich wunderbar intensiv, das Püree schön luftig, der Fenchelgeschmack harmonierte hier klasse mit den anderen Komponenten und der Fond brachte eine herrliche, runde Frische ins Gericht. Das geht nicht mehr besser. An diesem Gericht kann man den Stil von Hans Haas – so denke ich – gut erklären. Schon beim Lesen denkt man sich: Das kann nur passen, das muss gut werden. Die Komposition wirkt nicht wahnsinnig komplex, geschweige denn experimentell – das soll und muss sie auch nicht. Die Küche arbeitet handwerklich dermaßen perfekt mit in sich stimmigen Kombinationen, dass ganz wundervolle Teller dabei herauskommen. Das ist Kochkunst par excellence.
Perfekte Zusammenstellung und Harmonie auf dem Teller
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die zwei Nicht-Fischesserinnen, darunter eine Vegetarierin, den ganzen Abend über mit tollen Alternativen versorgt wurden. Dazu gehörte ein ausgelöster Hummer, Karottenpüree und Pfifferlingen. Für mich persönlich war dies der beste Gang des Abends. Insbesondere die Integration der Karotte war schlicht genial. Das Püree für sich genommen war schon zum Niederknien gut, die Zusammenstellung mit den anderen Komponenten – eine Sensation. Die dezente Süße und Erdigkeit des Pürees harmonierte unglaublich mit dem Hummer, der seinerseits auch leicht nussig und minimal süßlich schmeckt. Geschmacklich war das aber keinesfalls redundant, vielmehr eine schlicht und ergreifend geniale Variation. Die Pilze konnten die erdig-nussigen Töne des Gerichts noch einmal stärker herausarbeiten und betonen.
Ein fantastisches Gericht, zu dem ich mir ein Glas 2015er Giaconda Estate Chardonnay gönnte. Dieser Wein gehört zu den besten Tropfen, die ich jemals im Glas hatte. Das australische Weingut ist bekannt für exakt diesen Wein und dessen relativ klares, nussiges Sekundäraroma, welches durch die Lagerung in speziellen Eichenholz-Fässern entsteht und deutlich an Popcorn erinnert. Dazu kamen eine dezente, belebende Mineralität und sehr deutliche Steinobstaromen. Das Geschmacksprofil des Weines war wie gemacht für diesen Gang – ganz, ganz, ganz großes Kino!
Es folgte eine gut gemachte Gazpacho als Erfrischung. Nichts, was man ewig im Kopf behält, aber ein gut ins Menü integrierter Gang.
Nach dem Hummer Lammkoteletts aus Bayern
Die gratinierten Lammkoteletts mit bayerischen Bohnen und Artischocken waren sensationell gut und es zeigt sich wieder die Linie von Haas: Klassisch kombiniert, nicht überfrachtet, handwerklich perfekt umgesetzt. Ein Kotelett war von einer intensiv schmeckenden Kräuterkruste überdeckt, ein Rückenstück zierte ein frisch-herb schmeckendes Topping aus Tomaten und Oliven. Das hochwertige Lamm (vom Gutshof Polting) schmeckte wunderbar fein und wurde trotzdem von den Krusten nicht überfrachtet, vielmehr im Geschmack gestützt. Die Abstimmung ist mal wieder perfekt gelungen. Dies gilt auch für die harmonisch integrierten Gemüsekomponenten.
Nachtisch: Süßes und Saures
Auch die Desserts waren wirklich gut, ich persönlich meine jedoch, die Stärken des Restaurants noch mehr in den Vor- und Hauptspeisen erkannt zu haben. Das Mohnsoufflé mit Zwetschgenragout und Sauerkirschcrème war gut gemacht. Dabei war ein schönes Spiel aus Süße und Säure erkennbar. Auch die gelierte Waldmeistersuppe mit Buttermilchmousse und Himbeeren schmeckte rund.
Ein teures Vergnügen, das es aber wert war
Sicherlich muss man für einen Besuch im Tantris tief in die Tasche greifen, das Gebotene rechtfertigt die Preise aber allemal. Für das Degustationsmenü (5 Gänge) bezahlt man 220 Euro (Weinbegleitung +125 Euro, Premium Weinbegleitung +260 Euro). Das 7-Gang-Gourmetmenü liegt bei 255 Euro. Der Restaurant-Besucher kann die Weinbegleitung glasweise hinzubuchen, wobei die einzelnen Gläser zwischen 35 und 90 Euro liegen.
Tantris
Johann-Fichte-Strasse 7, 80805 München
Tel. und Reservierung: +49 89 3619590
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